Amazon kann für Hersteller und Händler ein Umsatz-Booster sein. Aber nur, wenn diese ihre Marken und Produkte richtig in Szene setzen. Unser Head of Marketplaces, Aike Schultheis, gibt bei Internetworld Business (Ausgabe 01/2020) wertvolle Tipps, um mit Amazon SEO, A+ Content und Brand Stores zu glänzen.

Amazon hat sich zur Naturgewalt im Onlinehandel aufgeschwungen. Im ersten Halbjahr 2019 nahm die Bezos-Plattform mit einem Gesamtumsatz von 11,5 Mrd. Euro stolze 37 Prozent des deutschen Onlinemarktes ein. Bei aller Kritik um gefälschte Produkte und Bewertungen sowie eine abnehmende User Experience: Amazon wird sich, getrieben durch die Philosophie der „Customer Obsession“, weiterentwickeln und auch im Jahr 2020 ein zentraler Player im E-Commerce sein. Für Hersteller und Händler, die als Vendoren und/oder Seller auf Amazon unterwegs sind, ist es höchste Zeit, Amazon Marketing professionell zu betreiben. Wer dies nicht tut, hat im Wettlauf um Top-Platzierungen in Zukunft keine Chance.

Der Kampf wird härter denn je

Der Kampf um die prominenten Plätze auf den Suchergebnisseiten von Amazon wird im Jahr 2020 so stark toben wie nie zuvor. Das Sortiment ist in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert, zunehmend drängen auch Seller aus Fernost auf die deutsche Plattform. Der Wettbewerb um die organischen Plätze auf der ersten Suchergebnisseite verschärft sich drastisch. Denn genau wie bei Google gilt auch bei Amazon: Der Großteil der Aufmerksamkeit entfällt auf die erste SERP (Search Engine Result Page). Die entscheidende Frage für Marketer lautet also: Wie setzte ich meine Produkte so in Szene, dass sie auf den Suchergebnisseiten ganz nach oben klettern?

Mit „Amazon SEO“ (Search Engine Optimization) hat sich ein eigenständiger Fachbereich zur Beantwortung dieser Frage gebildet. Weil die organische Rankingposition eines Produkts auf Amazon eine enorme Tragweite hat und maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg eines Verkäufers entscheiden kann, gab es sogar schon die Forderung von US-Senatoren, Amazon solle die Vergabe des „Amazon’s Choice“-Labels offenlegen. Während diese Kennzeichnung tatsächlich nebulös bleibt und vermutlich durch die mächtigen Category Manager bei Amazon beeinflusst wird, ist das Rezept des Amazon Algorithmus weitestgehend bekannt: Das Nutzerverhalten, insbesondere Klicks sind ein maßgebliches Kriterium, das über das Ranking entscheidet. Doch bevor wir über die Position von Produkten auf der Suchergebnisseite sprechen, müssen wir dafür sorgen, dass sich unsere Produktdetailseite überhaupt für relevante Suchanfragen qualifiziert.

Keywords als Eintrittskarte

Amazon zieht Keywords heran, um Suchanfragen und Produktdetailseiten zu matchen. Jedoch entscheiden Keywords nicht über die Position auf der SERP, sondern lediglich darüber, ob eine Produktdetailseite für eine bestimmte Suchanfrage überhaupt in Frage kommt. Die Wiederholung von Keywords im Sinne eines Keyword-Stuffing bringt demzufolge nichts, sondern verschwendet wertvollen Platz, der besser für Synonyme und Begriffskombinationen genutzt werden sollte.

Wenn Keywords darüber entscheiden, ob ein Produkt zu einer Suchanfrage ausgespielt wird, ist das empfohlene Vorgehen selbsterklärend: Es gilt, möglichst viele für mein Produkt relevante Begriffe auf meiner Produktdetailseite unterzubringen. Die Herausforderung besteht darin, die Balance zwischen einer Optimierung für den Algorithmus und den User zu finden. Denn wenn Titel und Produktbeschreibung einer Anreihung von Synonymen gleichen, wird der User zurecht misstrauisch und auch Amazon sieht das nicht gern. Die Kategorisierung unseres Produkts spielt an dieser Stelle übrigens keine Rolle. Sie wird aber relevant, wenn ein User Filter einsetzt, um seine Anfrage zu spezifizieren, oder auf der Produktdetailseite unkompliziert zwischen verschiedenen Varianten des Produkts wechseln möchte. Aus diesen Gründen ist die korrekte Produktanlage ein absolutes Muss.

Neben der selbständigen Denkleistung helfen Keyword-Tools und -Analysen bei der Recherche geeigneter Begrifflichkeiten. Oftmals wird nur ein geringer Teil des relevanten Suchvolumens ausgeschöpft, weil reichweitenstarke Keywords nicht im Text untergebracht sind. Nach einer professionellen Contentoptimierung kann das Suchvolumen eines Produktes meistens drastisch erhöht werden. Ist es uns gelungen, unsere Produktdetailseite für eine relevante Suchanfrage in den Ring zu werfen, wartet die nächste Challenge auf uns: Möglichst weit oben im Ranking erscheinen.

A9 setzt auf Klicks

Um den Amazon-Algorithmus gibt es viele Mythen. Viele davon haben eine zu hohe Meinung von A9. Der Algorithmus ist kein AI-basiertes Meisterwerk, sondern eine recht schlichte Formel. Böse gesagt: A9 ist dumm. Klicks sind für Amazon das mit Abstand wichtigste Kriterium zur Berechnung des Rankings bei einer Suchanfrage. Das Kalkül dahinter ist simpel wie logisch: Klickt ein User nach seiner Suchanfrage auf ein Produkt, haben ihm die in der Übersicht gelieferten Hard Facts offenbar gefallen. Faktoren wie Titel oder Bewertungen sind also kein direkter, aber ein indirekter Rankingfaktor, weil sie nicht den Amazon Algorithmus, sehr wohl aber die Klickwahrscheinlichkeit beeinflussen. Kein User wird auf ein Produkt klicken, das schlecht bewertet ist oder einen kryptischen Titel besitzt, solange im direkten Umfeld bessere Optionen zur Verfügung stehen.

Unsere Hauptaufgabe im Amazon SEO besteht also darin, die Klickwahrscheinlichkeit für unser Produkt zu maximieren. Hierfür gibt es verschiedene Stellschrauben. Beim Verfassen des Titels empfiehlt es sich, den Zeichenraum voll auszunutzen und dem User alle relevanten Informationen sowie USPs zu nennen. Positive Bewertungen sind ebenfalls ein elementarer Faktor, um zu punkten und die Klick- und später auch Kaufwahrscheinlichkeit zu erhöhen. Sie sind vermutlich sogar einer der Hauptgründe für den Erfolg Amazons, weil Bewertungen eine unabhängige Kaufberatung durch andere Käufer darstellen. Das macht Amazon zu einer integrierten Verkaufs- und Beratungsplattform. Amazon weiß um diese Bedeutung und bestraft gekaufte Rezensionen rigoros. Von gefälschten Bewertungen sollten Seller und Vendoren definitiv die Finger lassen, wenn sie die Existenz ihres Geschäfts auf Amazon nicht riskieren möchten. Über das Vine-Programm können zwar Bewertungen eingekauft werden, diese sind aber unabhängig und können auch negativ ausfallen.

Klicks auf Amazon
© ad agents

Mit einem aussagekräftigen und überzeugenden Titel sowie Bild, ausreichend positiven Bewertungen und einem wettbewerbsfähigen Preis haben wir ein starkes Paket geschnürt, um potentielle Käufer auf unsere Produktdetailseite zu lotsen. Dort gilt es anschließend, sie von unserem Angebot zu überzeugen.

Mit starkem Content überzeugen

Ob die empfohlene Rasenfläche eines Mähroboters oder die Altersempfehlung für ein Kinderbuch: Eine verständliche und vollständige Produktbeschreibung ist die Basis einer vernünftigen Produktdarstellung. Gerade online, wo das Produkt nicht mit allen Sinnen in Augenschein genommen oder der Verkäufer befragt werden kann, muss eine umfassende Produktbeschreibung alle aufkommenden Fragen und Unsicherheiten bei Seite räumen.

Optimalerweise werden die USPs eines Produkts in der Beschreibung knackig formuliert. Es empfiehlt sich, die maximale Anzahl von fünf Bullet Points auszureizen. Bilder und Videos sollten in hoher Qualität vorliegen, um den User auch emotional abzuholen. Folgendes sollten Sie dabei berücksichtigen: Die physische Verpackung wurde optimiert für die Produktpräsentation im Ladengeschäft. Fotos vom verpackten Produkt eignen sich daher nicht zwingend für die digitale Präsentation. Online zeigen beispielsweise Bilder oder Erklärvideos, die das Produkt im Einsatz zeigen, eine bessere Wirkung beim Kunden. Das alles gilt natürlich nicht nur für Amazon, sondern allgemein für die „digitale Verkaufsverpackung“ in Online-Shops.

Zugegebenermaßen ist die umfassende und regelmäßige Pflege von tausenden Produkten in allen Größen, Farben und Formen eine extreme Herausforderung. Ganz besonders bei einem Sortiment, das sich schnell verändert. Wer diese Hausaufgaben allerdings vernachlässigt riskiert erstens, für die entscheidenden Keywords nicht gefunden zu werden und zweitens, dass User aufgrund nicht vorhandener oder unvollständiger Informationen abspringen.

Markenführung auf Amazon

Die pragmatische Darstellung der Produkte auf Amazon sorgt gerade bei starken Marken, die sich gerne visuell ansprechend und natürlich im eigenen Corporate Design präsentieren, hin und wieder für Frust. Die einheitlichen Amazon-Seiten mit vorgegebenem Raster verfolgen einen Zweck: Der User soll genau wissen, wo er welche Information findet. Um den individuellen Gestaltungsspielraum zu erhöhen, hat Amazon jedoch einiges getan.

Vendoren sowie Seller mit Eigenmarkenregistrierung können sogenannten A+ Content kostenlos auf ihren Produktdetailseiten anlegen. Es handelt sich um Zusatzinformationen unterhalb der Produktbeschreibung. Bei der Gestaltung stehen 13 Widgets zur Auswahl, von denen fünf beliebig kombiniert werden können. Im Gegensatz zur tristen Produktbeschreibung können sich Marken hier in der Darstellung austoben, die eigene Corporate Identity durchziehen und Emotionen beim User aktivieren. Starker A+ Content steigert das Produkterlebnis, trägt zum positiven Image der Marke bei und bietet über Vergleichstabellen sogar Möglichkeiten für Cross- oder Upselling. Einer Amazon-Studie zu Folge steigern A+ Seiten den Umsatz je nach Kategorie um bis zu elf Prozent.

Amazon Vergleichstabelle Gardena R40Li
Beispiel für eine A+ Vergleichstabelle © ad agents

Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, sollte sich mit dem Thema Amazon Store befassen. Das kostenlose Feature ähnelt optisch dem Webshop einer Marke, befindet sich allerdings in der Amazon-Umgebung. Marken können ihr Look-and-feel im eigenen Store konsequent transportieren, gezielt für bestimmte Produktkategorien, Top-Seller, Specials und Neuheiten werben. Amazon spricht von einem „ausgereiften, persönlichen Einkaufserlebnis, um die Kundenerfahrung zu verbessern“. Die Vorzüge von Brand Stores liegen auf der Hand: Händler können ihr Markengefühl vermitteln und neben der Umsatzsteigerung auch Markenbildung betreiben.

Amazon Marketing muss 2020 erwachsen werden

Amazon beeinflusst ein Drittel des gesamten Nonfood-Handels. Die Relevanz der Amazon-Informationssuche vor dem stationären Kauf steigt deutlich. Drei Viertel der US-Amerikaner suchen Amazon auf, wenn sie kaufbereit sind. Solche und ähnliche Schlagzeilen stehen symbolisch für das vergangene Jahr. Die Aufmerksamkeit, die Amazon in vielen Vertriebs- und Marketingabteilungen zu Gute kommt, sieht anders aus. Viele Seller und Vendoren, darunter auch prominente Marken, nehmen es mit der professionellen Darstellung ihres Unternehmens auf Amazon nicht ganz so ernst. Wie sonst sind unvollständige Produktbeschreibungen, fehlende Bilder oder gar falsche Produktdaten zu erklären?

Das Amazon Marketing muss 2020 erwachsen werden. Erstens, weil sich der Wettbewerb auf der Plattform weiter verschärft und nur noch Sieger hervorbringt, die Zeit und Geld in die Optimierung ihres Auftritts investieren. Zweitens, weil die kontrollierte Markenführung auf Amazon eine Chance ist, den immer wieder diskutierten Risiken für das Image einer Marke zu begegnen. Basis des Amazon Marketings bleibt die ASIN-Hygiene. Damit sind die „organischen Hausaufgaben“ gemeint, also die inhaltliche Pflege der Produktdetailseiten, um im Bereich Amazon Search zu punkten. Mit einem Brand Store und ansprechenden A+ Seiten mit attraktivem Bild- und Videocontent können Verbraucher einerseits vom Produkt überzeugt werden, andererseits kann ein Gefühl für die Marke vermittelt und Markenbildung betrieben werden, die sich langfristig auszahlt.