Ohne künstliche Intelligenz ist Onlinemarketing zwischenzeitlich nicht mehr denkbar. Schon seit einigen Jahren unterstützt sie die Branche zunehmend. Der Mensch ist damit noch lange nicht überflüssig. Erst im Zusammenspiel von Mensch und künstlicher Intelligenz entfaltet sich das volle Potenzial. Wo geht die Reise hin, wo sind die Grenzen?

Wolfgang Schilling, Geschäftsführer der ad agents, hat einen Ausblick für 2024 für das e-Commerce Magazin gegeben.

Künstliche Intelligenz (KI) ist mehr als die Abarbeitung von Algorithmen und Programmen. Die Systeme sind mittlerweile so weit entwickelt, dass sie menschliche kognitive Fähigkeiten nachahmen können. Das geht über die Analyse und Verarbeitung von vorhandenen Daten hinaus. Die Systeme sind heute selbstlernend und für eine Vielzahl an Zwecken einsetzbar, intelligent also.

Genau das Wesen der selbstlernenden KI ist auch der Zwiespalt für ihren Einsatz. Prof. Dr. Mario Trapp, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Kognitive Systeme IKS, stellt fest: „Die heutige KI stellt uns vor enorme Herausforderungen, weil sie meistens gut funktioniert, aber man nur bedingt versteht, warum sie funktioniert.“. Gesunde Zweifel sind also angebracht und auf den sinnvollen Einsatz kommt es an.

Siegeszug von KI im Onlinemarketing

Der Umbruch durch KI wird unsere Gesellschaft, jeden Lebens- und Arbeitsbereich, voll erfassen. Besonders viele Änderungen erleben wir bereits im Onlinemarketing, wo KI-gestützte Anwendungen im Einsatz sind, als Stichworte seien nur Smart Bidding oder PMax genannt.  Künstliche Intelligenz unterstützt bei der Zielgruppenfindung, macht Vorschläge für die Budgetverteilung, interpretiert Signale oder trifft in Echtzeit exakte Annahmen. Bei der Direktansprache von Zielgruppen im Performancemarketing, wo die Geschwindigkeit in der Aussteuerung und der Erstellung der Werbemittel eine große Rolle spielt, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz unschlagbar. Trotzdem sind wir im Marketing derzeit weit davon entfernt, dass KI selbständig das komplette Setup und die Steuerung einer Kampagne übernehmen könnte.

Was erwartet uns im Jahr 2024?

Für 2024 rechnen wir damit, dass die großen Player wie Google & Co. sowie eine Vielzahl an KI-Start-Ups mit einer Fülle an neuen, innovativen KI-getriebenen Tools aufwarten werden. Viele Tools sind Sprach- und Schriftmodelle, aber auch Bild- und Video-Tools sind bereits angekündigt. Mit Gemini kommt 2024 der nächste Gamechanger von Google auf den Markt, der Bild-, Video-, Audio- und Sprachmodelle verknüpft und damit über das Large-Language-Model (LLM) hinausgeht. Es wird in nahezu alle Google-Produkte einfließen. Ähnliches ist von anderen Anbietern wie Bing oder Meta zu erwarten.

Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft Kampagnenmanager mit neuen KI-gestützten Tools und Systemen zu tun bekommen. Die Art und Weise, wie beispielsweise Search-Kampagnen angelegt werden, wird sich dahingehend ändern, dass wir auch mit Prompts und Bots arbeiten, um die Kampagnen-Inhalte wie Text, Bild oder Video zu generieren. Die Bedeutung von Produktdatenfeeds steigt weiter an. Klar ist, dass der Inhalt, den wir den KI-Systemen zur Verfügung stellen, die wichtigste Grundlage darstellt für den Output.

Getrieben durch Bots wie beim neuen Bing ergeben sich zunehmend andere Möglichkeiten für User, um die Suchanfragen zu gestalten. Entsprechend verändern sich die Suchergebnisseiten und stellen eine Mischung aus bekannten Formaten wie Product Ads, Text Ads oder Video Ads dar und gleichzeitig fließen neue Ergebnisse der Chatbots mit ein. Es wird spannend sein zu beobachten, wie Bing, Google und Co. die Oberfläche der Suchmaschinenergebnisseiten neu gestalten werden.

Für die Erstellung von Marketing-Content, seien es Content- oder Native-Ads oder Produktbeschreibungen, sind ChatGPT oder Bard schon jetzt nicht mehr aus den Marketingabteilungen wegzudenken. Aber auch hier gilt: Eine Kontrolle der Ergebnisse ist nötig. Die Einhaltung von CIs muss überprüft werden und Fehler jeglicher Art gilt es zu erkennen und zu beseitigen.

Generative KI wird in alle Bereiche von Texterstellung, Feed-Erstellung, Anzeigengestaltung, Kreationen von Video, Audio oder Bild Einzug halten. Neue Fragen kommen hier auf, beispielsweise Urheberrecht, ggf. Datenschutz, Einhaltung von CI und Markenimage bis hin zu Ethik und Geschmack. Man darf sich die Frage stellen, wann die Systeme auch diese Fragen lösen werden.

Das Arbeitsfeld im Marketing ist im Wandel. Imagekampagnen, strategische Weichenstellungen und Ideenfindung werden den Menschen weiterhin erfordern, für Umsetzung und Ausgestaltung aber kommt zunehmend KI zum Einsatz. Auch Google betont, dass erst im Zusammenspiel von Mensch und KI die vollen Möglichkeiten im Google Advertising ausgeschöpft werden können.

Die Grenzen der künstlichen Intelligenz

Was auf der einen Seite ausgesprochen hilfreich ist, birgt auf der anderen Seite Gefahren wie Fake-Kreationen und Missbrauch. Die großen Player wie Google erstellen zwar eigene Policies, doch ein übergreifendes Regelwerk zum Ausschluss missbräuchlicher Nutzung gibt es nicht.

Auch Hallucination ist ein Phänomen, das noch nicht gelöst ist. Hier werden von der KI überzeugend formulierte Ergebnisse hervorgebracht, die jedoch in keiner Weise korrekt sind oder durch Trainingsdaten erzeugt wurden. Das zeigt wieder auf, dass KI eine Black Box ist, denn wir wissen nicht, wie sie lernt.

Unsere Erfahrungen zeigen sogar, dass der Einsatz von PMax nicht für alle Kunden gleichermaßen erfolgreich und sinnvoll ist. Abhängig von Branchen, Daten und Signalen ist die manuelle Kampagnensteuerung teilweise überlegen.

Auch an anderer Stelle ist menschliches Verständnis und Eingreifen gefragt. Noch ist KI beispielsweise nicht in der Lage, falsch gesetzte Conversionpixel jederzeit zu erkennen, geschweige denn, auszutauschen. Jedoch kann der Mensch KI-Systeme nutzen, um die Probleme schneller zu finden und zu lösen.

Der Einfluss von KI im Onlinemarketing wächst

Der Einsatz von KI bestimmt das Onlinemarketing nachhaltig und wird 2024 ein zentrales Thema sein. Google-Chef Sundar Pichai sagte kürzlich bei der Ankündigung des neuen Sprachmodells Gemini, dass der Wandel, den man gerade mit KI erlebe, der „tiefgreifendste in unserem Leben sein wird, weitaus größer als die Umstellung auf das Mobiltelefon oder auf das Internet davor“. Besonders im Onlinemarketing müssen wir offen sein für Änderungen und stets mit Flexibilität und Neugier agieren.

Für Kampagnenmager ist es zunehmend wichtig, die vorbereitenden Maßnahmen, das Setup und die Budgetplanungen mit Sorgfalt durchzuführen, damit automatisierte Kampagnen die Möglichkeit haben, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Die künstliche Intelligenz wird künftig mehr operative Tätigkeiten übernehmen. Umso wichtiger ist die Einschätzung der komplexen Welt von Kunden, Branchen und Zielen, die Entwicklung von Strategien sowie die Überprüfung des Monitorings mit menschlicher Expertise.